Entlang der unteren Oder

Radwandertour der Naturfreunde Düsseldorf
Gruppe Radtouristik (Soziale Pedale)

Tourenlänge 420 km, ein Bericht von Pferdinand von Keseberg

Sa 17. Mai 2008: Von Düsseldorf und Eberswalde nach Finowfurt, zum NFH Üdersee

Zug um Zug

Nennt mich Pferdinand. Vor einigen Wochen, wieviele es sind, tut nichts zur Sache... begibt sich ein Teil unserer Herde bei heftigem Regem mit den Reitern Birgit, Eva, Silvia und Veronika, sowie Gert, Michael, Volker und Ilja um 7:54 Uhr auf die Reise. Unterwegs steigt ein weiteres Ross mit Silvia hinzu. Nach hektischem Umsteigen in Minden und Berlin satteln unsere Besitzer gegen 14:15 in Eberswalde auf und treiben uns dem Finow-Kanal entlang Richtung Finowfurt. Die Futterstelle an der Teutoburg wurde leider inzwischen aufgegeben. Während wir in einem abgelegenen, dunklen Stall, zusammen mit den Drahteseln von Rita und Klaus, für die Nacht eingeschlossen werden, gönnen sich Volker und Ilja im kühlenden Wasser des Üdersees noch eine ausdauernde Abkühlung. Nach dem Büffet im Naturfreundehaus Üdersee begeben sich die Unausgelasteten noch per Pedes auf einen kleinen "Abendspaziergang um den See", der zu einer ausgedehnten Nachtwanderung mutiert.

Streckenlänge: 15 km, 1:15 h

So 18. Mai 2008: Von Finowfort zum NFH Oderberg

Klosterpause, Schiffshebewerk und keine Schwarze Messe

Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg. Feldwege, Findlings-Kopfsteinpflaster und Sand vermitteln uns einen kurzen Ausblick auf die kommenden Tage. Wir durchqueren Blütenberg (wo NICHT die Geldreserven der Landeszentralbank lagern) und machen im Kloster Chorin eine ausgedehnte Rast. Aufgrund eines Feiertags ist der Eintritt für unsere Reiter heute frei, und auf dem "Flohmarkt" erhalten sie leckeren und günstigen Kuchen. Wir traben weiter zum Schiffshebewerk Niederfinow und staunen über die Technik, während Störche über uns an Höhe gewinnen. Nach einer Kaffeepause für Ross und Reiter erreichen wir mit einer fordernden Bergetappe das Naturfreundehaus "Eisguste" am Stadtrand von Oderberg. Im Keller, in dem früher aus der Oder gebrochenes Eis für den Sommer gelagert wurde, erhalten die Menschen eine Sonderführung durch eine mystisch wirkende Ausstellung mit Infrarot-Fotografien von Marco Just. Der Hinweis, dass im Keller keine schwarzen Messen abgehalten werden, beruhigt. Die Suche nach einem Lokal zum Abendessen gestaltet sich für unsere Reiter schwierig, und nachdem sich bei Klaus erste Anzeichen von Panik zeigen, werden sie auf der anderen Seite der alten Oder endlich fündig. Oderberg wirkt wie eine Geisterstadt. Die Kirche ist hell beleuchtet, doch alle Wege sind versperrt.

Streckenlänge: 44 km, 3:00 h

Mo 19. Mai 2008: Von Oderberg nach Cedynia, zum Hotel Piast

Radtour mit Vögeln

Zum Aufbruch suchen unsere Besitzer zunächst in Oderberg eine Bäckerei. Ohne jede Außenwerbung finden sie sie schließlich in der Nähe der Oderbrücke. Die Fahrt entlang der alten Oder wird durch zahlreiche, ornithologische Pausen unterbrochen. Sichtungen u.a.: Störche, Reiher, Kraniche, Enten, Gänse, Schwäne, Lerchen, Kiebitze, ein kleiner knallgelber Vogel und immer wieder diese 10 komischen Vögel auf uns Drahteseln. In Polen erklimmen nur drei von ihnen die lange Treppe zu einem Denkmal und genießen den tollen Fernblick. In Cedynia [Zehden] greift ein Wadenbeißer Iljas weißen Beine an, fällt jedoch frustriert zurück. Vom schweren Gepäck befreit machen wir einen Abstecher nach Moryń [Mohrin]. Im Etablissement am See versorgen Damen unsere Reiter willig mit Kaffee. Volker und Ilja kühlen sich im See ab. Zurück in Cedynia dürfen wir die Nacht sicher verschlossen in der Garage des Luxus-Hotels verbringen. Die Zimmer der Menschen sind komfortabel und das Essen sehr gut.

Streckenlänge: 58 km, 4:15 h

Di 20. Mai 2008: Von Cedynia nach Gryfino, zum Agrotel Wirówek

Eins, zwei, drei wir kommen: Lustige Hotelsuche

Über Krajnik Górny [Hohenkränig] fahren wir entlang dichter Alleen nach Schwedt in Deutschland. Einem Dachs bekam das Zwielicht unter dem Laub offensichtlich weniger gut, er liegt tot am Straßenrand. Von Schwedt kehren wir zurück nach Polen und fahren Richtung Gryfino [Greifenhagen]. Leichte Differenzen in der Aussprache führen zu verschiedenen Wegbeschreibungen, die Unsicherheit zu brenzligen Situationen im Verkehr. Wirówek [Wierower Mühle] finden wir schließlich knapp 7 km von Greifenhagen entfernt. Ein vornehmes Grundstück mit einem schicken "Schlösschen" und einem sammelwütigen Besitzer: Bügeleisen, Uhren, Samoware und mehr schmücken den bewohnbaren Antik-Markt. Das Essen unserer Damen und Herren fällt einfach aus, ist aber reichlich. Ein Abendspaziergang führt sie über ein stillgelegtes Bahngleis zu einem kleinen See. Nur ein kurzer Blick ist ihnen vergönnt, sonst würden sie von Moskitos zerstochen.

Streckenlänge: 74 km, 5:15 h

Mi 21. Mai 2008: Von Gryfino nach Szczecin, ins Haus des Lehrers

Auf dem Strich

Die unerwartete Lage des Hotels erfordert eine Neuberechnung der Route. Michaels Ergebnis fällt in die Rubrik Feld- Wald- und Sandwege. Letztere sind eine echte Herausforderung für uns und bieten ein hervorragendes Training für die kommenden Tage. Da ein Radweg doch nicht quer durch den Wald gehen dürfte, bieten wir auf einer Autobahnbaustelle den Bauarbeitern eine willkommene Abwechslung. Nach einigen Pla-t-ten-we-gen machen wir an der Oder Rast. Warum die Frosch-Herren ihr lautstarkes Konzert unterbrechen, als Volker in Natura das Wasser betritt, bleibt ihr Geheimnis. In Szczecin [Stettin] belagern wir im Dom Nauczyciela [Haus des Lehrers] die Kellergänge. Mit der Gewissheit, dass wir sicher untergebracht sind, gehen unsere Reiter auf den Strich, folgen also dem aufgemalten "Wanderweg" entlang der städtischen Sehenswürdigkeiten. Nach einem urigen Essen beobachten sie vom 22ten Stock, dem Café22 (Fahrräder müssen leider unten bleiben) den Sonnenuntergang. Zieht ein Gewitter über der Gruppe auf? Der Himmel ist blau...

Streckenlänge: 37 km, 3:15 h

Do 22. Mai 2008: Von Szczecin nach Stepnica, zum Agrotel Laguna

Fahrrad-Parcours im Sandkasten

Das drohende Unwetter hat sich wieder verzogen, und auch der Himmel ist unverändert klar. Beim Start bricht unter lautem Getöse das Schutzblech von Klaus Schwerlast-Esel. Davon lässt sich das treue Tier nicht kleinkriegen und geflickt geht es weiter. Stettin muss uns Drahtesel hassen, anders sind die Scherbenhaufen auf den Radwegen kaum zu erklären. In Goleniów [Gollnow] beobachten wir kurz die Fronleichnamsprozession und pausieren im gemütlichen Park. Dann wird der Radweg plötzlich von einer Autobahn zerschnitten, was uns einen größeren Umweg beschert. Nicht enden wollende Sandkästen, die über 12 km ein Durchkommen immer wieder unmöglich machen, werden dreist als Radweg nach Stepnica [Stepenitz]beschildert. Wir lassen uns nicht lumpen und erreichen mit schwindenden Kräften die "Laguna". Das Haus ist einfach, Toiletten und Duschen sind knapp. Die Hausherrin scheint ähnlich verrückt zu sein wie unsere Menschen, und für einen Augenblick sehen diese den Traum vom ersehnten Abendessen zerplatzen. Doch weit gefehlt: Nach einem Bad in der Lagune des Oder-Haffs gibt es doch ein hervorragendes Menü. Eine gute Wahl! Meine Verdienste als treues Ross werden belohnt, denn erst von heute an höre ich auf den Namen "Pferdinand".

Streckenlänge: 64 km, 5:00 h

Fr 23. Mai 2008: Von Stepnica nach Miedzyzdroje, auf das Hansa Hotelschiff

Fahrrad-Ballett am Schwanensee

Nach dem Aufbruch legen wir nach einem kurzen Einkauf einen Zwischenstopp bei "Frajda" ein, einem guten Ziel für Klassenfahrten oder Schulungen. Es gibt dort 100 Betten, Sportgeräte und Kletterwände. Unzählige Schwalben halten das Grundstück Mückenfrei, was unseren Reitern gut gefällt. Klaus ermittelt vor einer Schwanen-Kolonie im Oder-Haff eine Wassertemperatur von 17°C. Im Park Natury Zalewu Szczecińskiego [Naturpark Stettiner Haff] dürfen wir ruhen, während sich einige der Menschen durch Disteln und Brennnesseln zu einem Beobachtungsturm vorkämpfen, um von dort Kraniche, Reiher, möglicherweise einen Seeadler und den bequemen Radweg zum Turm zu sehen. Die Schwalben unter dem Dach freuen sich über unseren Fortritt Richtung Wrota Wolina [Wolin]. Der Weg folgt zunächst dem Deich am Wasser, entlang weiterer Schwanen-Kolonien (weit über 100 Tiere) und führt hinter Wolin auf brusthoch zugewachsene Feldwege. Das originelle Hansa-Hotelschiff überrascht mit winzigen Kabinen, mit als Schrank getarnten "Badezimmern". Abendessen gibt es dort leider keins, wir bringen die Hungrigen ins 3km entfernte Miedzyzdroje [Misdroy], wo wir nahe einer hervorragenden Futterstelle aneinandergekettet werden. Erst im Dunklen geht es, nach einem kurzen Blick auf die Ostsee, unter dem Einsatz von künstlichem Licht zurück zum Schiff.

Streckenlänge: 59 km, 4:45 h

Sa 24. Mai 2008: Von Miedzyzdroje nach Zinnowitz, zur Casa Familia

"Essen auf Rädern"

Nach dem Frühstück treibt man uns wieder auf eine Autobahnbaustelle, wir finden aber schnell den sandigen, gut befahrbaren Radweg, der scheinbar endlos durch Kiefernwälder führt. Malerisch, wären da nicht Milliarden von Mücken, die bereits einen kurzen Halt einem Selbstmordversuch unserer Herrchen gleich kommen lassen. Vor Świnoujście [Swinemünde] erfrischen Eva, Volker und Ilja sich kurz in der 14°C kühlen Ostsee, andere lassen das Nass zumindest an die Füße. Dann setzen wir mit der kostenlosen Fähre über, woraufhin die letzten Zloty in Leckereien umgesetzt werden. Nach dem Grenzübertritt fahren wir auf Usedom in Küstennähe auf einer herrlichen Berg- und Talbahn durch die Wälder. In Ahlbeck gehen ein paar unserer Reiter auf dem Ausleger in die Ostsee hinaus und treffen dann auf dem weiteren Weg kurz Anke und Heike. Nach mehreren 16%-Gefällen und -Steigungen erreichen sie teilweise sichtlich erschöpft die Casa Familia in Zinnowitz. Geräumige Zimmer und ein Abendbuffet, das die Meinungen teilt, sind der Lohn für alle Mühen.

Streckenlänge: 69 km, 5:15 h

So 25. Mai 2008: Heimreise nach Düsseldorf

Per Bummelzug nach Düsseldorf

Ein kurzer Strandspaziergang und wir fahren um 11:39 Uhr mit dem Zug ab. Dabei ist ein durchgehender Zug zwar die erste Wahl, was die Bequemlichkeit angeht, kann aber für die Reise auch schon mal "etwas" länger brauchen. Erst um 21:00 Uhr erreichen wir, nach diversen plan- und außerplanmäßigen Lokwechseln, endlich Düsseldorf. In der Regionalbahn nach Wuppertal begegnen Ilja und mir dann, ebenfalls mit einer Herde Drahtesel unterwegs, die Wuppertaler Naturfreunde, die während unserer Reise den Spuren der Hildegard von Bingen folgten. Damit endet meine erste lange und schöne Tour mit Freunden aus Metall und Fleisch.

FAZIT

Vielen Dank!

Zunächst einmal ganz klar an das Wetter, das die ganze Zeit über hervorragend mitgespielt hat. Was sonst, als Regenzeug, wird jederzeit gerne als unnötiger Ballast mitgeschleppt?

An Birgit für die Auswahl der z.T. recht originellen Quartiere inkl sicherer Unterbringung der Herde, und an Michael für die Ausarbeitung der Tour. Vermittelten manche Wege auch nicht unbedingt eine Tauglichkeit für Fahrräder, so waren sie doch weitaus besser, als dem Verkehr und Lärm der Straße zu folgen.

An alle anderen für die nette Gesellschaft. Das soll jetzt keine Drohung sein, aber wer weiß, vielleicht gehen Ilja und ich ja noch einmal mit Euch auf Tour.

Pferdinand "von" Keseberg
eMAIL
Impressum